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Ein Vormittag in U-Haft


20.12.2023

Bild Ein Vormittag in U-Haft

Am heutigen Mittwoch exkursierten die Schüler*innen des Geschichtskurses 13.4 in die ehemaligen Untersuchungshaftanstalt II der Volkspolizei der DDR nach Berlin. Nach der Begrüßung durch die Referenten Irena und Marvin konnte der Kurs vorhandene Vorstellungen von Gefängnissen mit der „ehemaligen“ Alltagsrealität in der Untersuchungsanstalt vergleichen. Im Gefängnis waren zeitweise bis zu 300 Männer und Frauen inhaftiert, die aufgrund von kriminellen Vergehen wie Diebstahl, Rowdytum, Verweigerung oder unerlaubten Grenzübertritt auf ihren Gerichtsprozess warteten oder für Verhöre in das anliegende Polizeipräsidium gebracht worden sind. Interessanter side-fact war die Information, dass das Gefängnis in der jüngeren Vergangenheit u.a. als Drehort für den Film „Fuck u Goethe“ genutzt wurde, weshalb der inzwischen denkmalgeschützte Gefängnistrakt teilweise stark vom Ursprungszustand aus DDR-Zeiten abweicht.

Nach einer kurzen Pause ging es im zweiten Teil des Workshops in die Praxis. Die Schüler*innen setzten sich in Kleingruppen mit den Schicksalen von DDR-Bürger*innen auseinander, die aufgrund ihres „Fehlverhaltens“ verurteilt worden sind: Peter Rößler hat aufgrund seiner christlichen Überzeugung als Zeuge Jehovas sowohl den Wehrdienst als auch den „Ersatzdienst“ als Bausoldat verweigert, passte damit ohnehin nicht ins gesellschaftliche System der DDR und nahm bewusst seine Haftstrafe in Kauf. Karin Schulze unternahm einen unerlaubten Grenzübertritt, wurde erwischt und in die U-Haft in die „Kneibelstraße“ gebracht. Und zuletzt Rene Dittrich, der bereits als 15jähriger erstmals durch rowdyhaftes Verhalten straffällig und später zum Wiederholungstäter wurde.

Die Schüler*innen untersuchten Briefe, Aktenauszüge und nutzen mediengestützte Informationen, um die Beweggründe der DDR-Bürger*innen für ihre Straftaten zu ermitteln sowie die Urteilsverkündung kritisch zu beleuchten. Der Blick in die Urteile der drei Protagonisten hat gezeigt, wie stark die DDR-Führung abweichendes Verhalten, das gegen sozialistische Werte und Überzeugungen gerichtet war, sanktioniert und die Rechtmäßigkeit des eigenen Systems propagiert hat. Dennoch handelte es sich bei den Delikten der Inhaftierten in der U-Haft „Keibelstraße“ überwiegend um „milde“ Alltagsstraftaten, während die politischen motivierten Straftaten durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR untersucht worden sind.

Ein Dank gilt den beiden Referenten, die durch viele interessante Informationen den Dialog gefördert und durch zusätzliche Gefängnisutensilien, die z.B. dem Schmuggeln von Zigaretten dienten, den Häftlingsalltag veranschaulicht haben.

Christian Bauch




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